Ich bin seit bald drei Wochen hier auf Lesbos, einer griechischen Insel nahe der Türkei. Viele von euch erinnern sich sicher an den Brand im Moria-Camp. Die Ruinen sind nur 6km von meinem Wohn- und Arbeitsort entfernt. Die Zustände im neuen Camp, mit über 2.000 Untergebrachten, sind auch jetzt nicht menschenwürdig: Es sind Container- und Zeltlager, der Strom fällt regelmäßig für mehrere Stunden aus, dann gibt es kein Licht und keine Heizung. Das mit Solar erzeugte Warmwasser für die Duschanlagen funktioniert im Winter nicht. Der Caterer versorgt die Personen mit verdorbenen Lebensmitteln (Ungeziefer im Brot,…) und mit nur 1,5l Trinkwasser pro Person/Tag. Das Leitungswasser im Camp ist nicht genießbar. Manche warten hier mehrere Jahre auf den Ausgang ihres Asylverfahren.
Unglaublich erschütternd sind die Menschenrechtsverbrechen, die hier an den Außengrenzen stattfinden, die „Pushbacks“: Maskierte, bewaffnete Personen verfolgen in Zusammenarbeit mit der griechischen Küstenwache jene Geflüchteten, die an der griechischen Küste ankommen, berauben sie ihrer Habseligkeiten und Kleider, fesseln sie mit Kabelbindern, und setzen sie in „schwimmenden Plastikinseln“ am Rand zu den türkischen Gewässern wieder aus. Es gibt Berichte, nach denen die griechische Küstenwache auf offenem Meer auch Boote von Geflüchteten mutwillig zerstört hat. Diese Verbrechen fordern unvorstellbares Leid, Trennung von Familien und Tote. Seit 2014 sind mehr als 25.000 Geflüchtete im gesamten Mittelmeer ertrunken. Zur Abschreckung werden Geflüchtete und Flüchtlingshelfer:innen in Griechenland wegen Schlepperei angezeigt und verurteilt. Viele Parteien in Österreich argumentieren zum Thema Asyl nur mit dem „Schutz der europäischen Außengrenzen“ und nehmen mitwissend die aktuellen Verbrechen und Toten in Kauf. Hier müssen andere politische Lösungen gefunden werden, sonst ist unsere Gesellschaft schon verroht.
Ich selbst arbeite auf Lesbos mit und im Projekt von Doro Blancke, einer Grazerin (https://doroblancke.at/). Ihre Organisation verteilt einmal wöchentlich Lebensmittelpakte an Geflüchtete Männer, Frauen und Familien, die nicht im Camp untergebracht sind und daher keinen Zugang zu finanziellen oder materiellen Leistungen haben. Ich habe ein super Team mit Sabine aus Kapfenberg und den Brüdern Abbas und Hojat aus Afghanistan. Dreimal in der Woche gebe ich Englischunterricht im Tageszentrum „Parea Lesvos“. Der freundliche, herzliche Umgang miteinander im Parea-Zentrum erfreut mich jedes Mal wieder, angesichts der allgemeinen Umstände, unter denen die Geflüchteten hier leben müssen.